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Advanced German: Fragen der Identität
Advanced German: Fragen der Identität

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3 Reflektionen zu Heimat und regionaler Identität

In diesem Teil geht es um die regionale Identität und darum, worin sich verschiedene Regionen wirklich unterscheiden. Sie lesen einen Ausschnitt aus einer Studie aus Rheinland-Pfalz. Der Text ist nicht einfach zu lesen, aber die Fragen dazu und die Beispielantworten helfen beim Verständnis. Am Ende regen einige kritische Beiträge von Migrant*innen zum Nachdenken an.

Ergebnis einer Umfrage in Rheinland-Pfalz: Was ist typisch für diese Region?

Übung 11

Timing: 30 minuten

Sie haben in den vorherigen Übungen über regionale und nationale Identität nachgedacht und überlegt, was Menschen an ihre Region oder ihr Land bindet. Auf die Region bezogen kann der Begriff „regionale Identität“ sowohl positiv als auch negativ sein, denn manchmal haben Regionen einen schlechten Ruf, zum Beispiel weil man sie mit Umweltverschmutzung oder sozialen Problemen verbindet, während andere Regionen als besonders attraktiv gelten. Der Begriff „Heimat“ andererseits ist grundsätzlich positiv, weil er auch eine gefühlsmäßige innere Beziehung zu einem Ort beschreibt.

Im folgenden Beitrag argumentieren die Autorin und der Autor, dass „Heimat“ zwar wichtig ist, dass „regionale Identität‘ aber als Konzept besonders aussagekräftig ist. Der Beitrag stammt aus einer umfassenden Studie über Region und Identität im Bundesland Rheinland-Pfalz.

Lesen Sie den Text und üben Sie anhand einiger Fragen noch einmal direkt und indirekt zu zitieren. Wenn Sie wollen, lesen Sie die Fragen unter dem Text zuerst. Das kann bei Lesen hilfreich sein.

Text 2 Projektionen und Stereotype – Heimat und regionale Identität

Regionale Identität ist ein Begriff, der sich zunächst etwas hölzern und akademisch anhört. In Wahrheit ist er jedoch sehr brauchbar, weil er mehr meint als der Begriff Heimat.

Das Wort Heimat hat seinen Ursprung im Indogermanischen. Die erste Silbe „hei“ bedeutet „liegen, ruhen“. Damit ergibt sich zwangsläufig ein Raumbezug; im Sinne eines Innehaltens, einer Verortung. Das Suffix „at“ des Wortes Heimat wird sprachwissenschaftlich als Zustandsdeutung verstanden. Sie verstetigt in diesem Fall die Verortung im Raum und ergänzt sie um ein soziales Zusammengehörigkeitsgefühl im Sinne von „Zugehörigkeit, Geborgenheit, Vertrauen im Kreise der Großfamilie“. Heimat ist also etwas sehr Wichtiges, weil sie den Rahmen gibt, in dem sich ein Mensch in seiner Kindheit entwickelt. Im glücklichen Fall nimmt ein Kind diese soziale und lokale Umgebung als Ort wahr, an dem es gewollt ist und der ihm die Möglichkeit gibt, seine Fähigkeiten positiv zu entwickeln. Dadurch identifiziert sich das Kind mit diesem Ort und macht ihn zu seiner Heimat. Somit bleibt Heimat etwas Lokales, an den Ort Gebundenes.

Doch was passiert, wenn sich zwei Deutsche in New-York kennenlernen? Sie werden sich gegenseitig ausfragen:

  • Wo kommst du her?
    • Aus Deutschland.
  • Ja, aber woher in Deutschland?
    • Aus Rheinland-Pfalz.
  • Ja, aber woher in Rheinland-Pfalz?
    • Aus dem Pfälzerwald.

Damit wird das Gegenüber zufrieden sein. Es sei denn, er oder sie stammt selbst aus Kaiserslautern oder kennt den Pfälzerwald genau. Dann wird er oder sie sich erst mit der Kommune zufrieden geben, vielleicht sogar die Straße erfragen. Bei diesem Beispiel ist die Region angesprochen. Regionale Identität geht über die Heimat hinaus. Wann ist ein junger Mensch das erste Mal in seiner Region unterwegs? Vielleicht, wenn ihr oder sein Schulweg nicht mehr in das eigene Dorf oder die Stadt führt, sondern weitere Strecken zurückgelegt werden müssen. Oder wenn regelmäßige Ausflüge mit den Eltern in die nähere Umgebung führen.

Region ist geographisch mehr als Heimat, und wir erschließen sie uns meist später im Leben. Regionale Identität geht wörtlich von dieser Region aus, betont also einen überörtlichen Zusammenhang. Die „regio“ bezeichnet im Lateinischen eine Gegend, eine Landschaft. Die Identität (vom Lateinischen „idem“, „derselbe“) geht davon aus, dass diese Region Wesenszüge besitzt, die sie von anderen unterscheidet. Das betrifft nicht nur materiell fassbare geographische Eigenschaften, sondern auch immaterielle Werte wie zum Beispiel eine Sprachgemeinschaft, den Dialekt.

In Rheinland-Pfalz zeigt sich das schon in der Namensgebung des Bundeslandes. Das Rheinland ist anders als die Pfalz – und das wird fast jeder unterschreiben. Doch was ist genau „anders“? Und warum ist das so? Das sind sehr spannende Fragen, die an Emotionen rühren.

(Franke und Ratter, 2017)

Vokabelhilfe

verstetigen selten: dauerhaft machen

die Zustandsdeutung Interpretation der Situation

erschließen hier: (eine Region) gut kennenlernen

In den folgenden Fragen geht es um bestimmte Aspekte des Textes. Beantworten Sie jede Frage zweimal: zuerst, indem Sie den genauen Wortlaut des Textes wiederholen (direktes Zitat) und dann noch einmal, indem Sie denselben Inhalt mit anderen Worten ausdrücken.

Beispiel

Wie, meinen die Autoren, hört sich der Begriff regionale Identität an?

  • Die Autoren meinen, dass sich der Begriff regionale Identität „hölzern und akademisch“ anhört.
  • Die Autoren meinen, dass sich der Begriff regionale Identität nicht sehr interessant anhört.
  1. Warum ist Heimat dem Text zufolge etwas sehr Wichtiges?
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Answer

Natürlich gibt es jeweils verschiedene Antwortmöglichkeiten. Hier ist ein Vorschlag.

Dem Text zufolge ist Heimat etwas sehr Wichtiges, „weil sie den Rahmen gibt, in dem sich ein Mensch in seiner Kindheit entwickelt“.

Dem Text zufolge ist Heimat etwas sehr Wichtiges, weil sie einen Rahmen für die kindliche Entwicklung schafft.

  1. Welche Möglichkeit kann die soziale und lokale Umgebung dem Kind bieten?
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Answer

Die soziale und lokale Umgebung kann dem Kind die Möglichkeit bieten „seine Fähigkeiten positiv zu entwickeln“.

Die soziale und lokale Umgebung kann dem Kind die Möglichkeit bieten, sich gut zu entwickeln.

  1. Was zeigt sich im Namen des Bundeslandes Rheinland-Pfalz?
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Answer

Im Namen des Bundeslandes Rheinland-Pfalz zeigt sich: „Das Rheinland ist anders als die Pfalz“.

Im Namen des Bundeslandes Rheinland-Pfalz zeigt sich, dass das Rheinland und die Pfalz unterschiedlich sind.

  1. Welche Fragen stellen die Autoren am Ende des Abschnitts?
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Answer

Am Ende des Abschnitts fragen die Autoren: „Was genau ist ‚anders‘? Und warum ist das so?“

Am Ende des Abschnitts fragen die Autoren, was eigentlich anders ist und warum.

Übung 12

Timing: 10 minuten

Am Ende stellen die Autoren zwei „spannende Fragen“. Was genau ist in verschiedenen Regionen unterschiedlich und warum ist das so?

Wie, meinen Sie, könnte man diese Fragen beantworten?

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Discussion

Diese Fragen sind natürlich nicht leicht zu beantworten. Die Geografie in verschiedenen Regionen ist anders und bringt vielleicht auch Unterschiede in anderen Traditionen mit sich, zum Beispiel, welches Gemüse angebaut wird und was man isst. Orte, Ortsnamen und Namen für regionale Produkte unterscheiden sich ebenfalls. Auch kleine regionale Verschiedenheiten können in einer Region ein Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen. Sie sind deshalb gewollt und halten sich über lange Zeiträume.

Manche Menschen sehen ihre Region als separat vom Rest von Deutschland an. Das ist zum Teil geografisch bedingt, und wird durch Traditionen und regionale Sprachvarianten verstärkt. Es gibt auch historische Begebenheiten und Legenden, die man nur in der Region kennt und die das Gemeinschaftsgefühl fördern.

Was genau ist in Ihrer Region anders als in anderen Regionen? Warum?

Übung 13

Timing: 20 minuten

Hier lesen Sie kurze Abschnitte aus Büchern, die sich kritisch mit dem Thema „Heimat“ in Deutschland auseinandersetzen. Überlegen Sie vor dem Lesen, wie Sie das Wort in Ihre eigene Sprache übertragen würden. Gibt es Diskussionen zu „Heimat“ in Ihrem Land?

1

Im Buch „Eure Heimat ist unser Albtraum“ berichten MigrantInnen über negative Erfahrungen in Deutschland. Im folgenden kurzen Ausschnitt geht es um das Thema Arbeit.

Text 3 Eure Heimat ist unser Albtraum

Keine Ahnung, ob es so etwas gibt, wie eine typisch deutsche Eigenschaft. Aber was mir auf Auslandsreisen immer wieder auffällt, ist, wie verquer das Bild ist, das man von den Deutschen hat: „Die Deutschen denken immer nur ans Arbeiten.“ Ja, mag sein, dass das Renteneintrittsalter hier höher liegt als in anderen Ländern. Und ja, auch hat Fleiß als preußische Tugend zumindest rhetorisch noch einen Stellenwert in diesem reichen Exportweltmeisterland. Doch um ehrlich zu sein: Wenn ich mich umschaue, sehe ich in diesem Land niemanden, der so hart arbeitet wie Migrant_innen. Niemanden. An Burnout aber leiden aber immer nur die Deutschen. Komisch.

(Aydemir und Yaghoobifarah, 2019)

2

Im Buch „Heimat“, hat die in New York lebende Deutsche Nora Krug in Texten, Zeichnungen und Fotos Erinnerungen zusammengestellt, in denen sie sich mit ihrem gespaltenen Verhältnis zu ihrer deutschen Nationalität und Ihrer Suche nach der Vergangenheit befasst.

Wenn Sie im Internet nach Bildern zu „Nora Krug: Heimat“ suchen, können Sie einen Eindruck von dem Zusammenspiel von Text und Illustrationen bekommen.

Text 4 Heimat: ein deutsches Familienalbum

a
  • In der Schule lernt sie viel über den Nationalsozialismus, aber sagt:
  • Wir
  • lernten
  • nichts
  • über die
  • Geschichte
  • unserer
  • Heimatstadt.
  • Wir lernten
  • keine einzige Strophe
  • unserer Nationalhymne.
  • Wir lernten keine alten Volkslieder.
  • Wir taten uns schwer mit der Bedeutung
  • des Wortes HEIMAT.
b
  • Sie sagt auch:
  • Je länger ich in meinem karibischen Viertel von
  • Brooklyn lebe, desto häufiger ertappe ich mich beim
  • Durchforsten der örtlichen Gebrauchtwarengeschäfte nach
  • Römergläsern, Kuckucksuhren und rustikalen Korkenziehern
  • mit Weinrebengriff (vermutlich Andenken an eine Europareise),
  • die ich in Deutschland niemals hätte besitzen wollen.
  •  
  • Je länger ich aus Deutschland fort bin, desto öfter
  • durchstöbere ich die New York Public Library nach
  • Büchern über die Geschichte meiner Heimatstadt, um alles
  • zu lernen, was es über deren Kriegsgeschichte zu lernen gibt.
  • Aus der sicheren Distanz fällt es mir leicht, zurückzublicken
  • und den Verlust zu erkennen, den meine Stadt erlitten hat.
  •  
  • Und dennoch – je länger ich fort
  • bin, desto mehr entgleitet mir das
  • Bewusstsein von meiner deutschen
  • Identität. Meine Heimat ist ein Echo,
  • ein Wort, das einst in die Berge
  • gerufen und seither vergessen
  • worden ist.
  •  
  • Ein unverständlicher
  • Widerhall.
(Krug, 2020)